Trennung und Trauer und Akzeptanz

Tatsächlich bin ich alles andere als Neurowissenschaftler. Psychologe auch nicht wirklich. Ich finde es lediglich faszinierend zu verstehen, wie mein eigenes Gehirn funktioniert um mein Leben mit den entsprechenden Informationen interessanter und schöner zu gestalten, ein Bedürfnis, das viele sicherlich nachempfinden können.

Oft treffen uns Lebensereignisse, die wir für uns selbst in dem Moment als Katastrophe verbalisieren sehr unvorbereitet. Der erfahrene Schock bei dem Verlust eines Menschen löst automatisch eine skurrile Umstrukturierung des Gehirns aus – oft mit dem Gefühl verbunden, verrückt zu werden. Auch wenn es nicht leicht ist, empfinde ich es als wichtig, sich damit auseinanderzusetzen, was im eigenen Kopf passiert und zu verstehen, dass wir nicht wahnsinnig sind – sondern die Wucht an mentaler Überforderung neurologisch und psychologisch einzuordnen und nachzuvollziehen ist.

Im Zusammenhang mit dem kürzlichen, schmerzhaften Ende eine Beziehung habe ich gelernt, dass sich die Trauer über den Verlust eines Menschen, der tatsächlich physisch von dieser Welt verschwindet und jene, aus dem Verlust des geliebten Menschen durch eine Trennung, nicht wesentlich voneinander unterscheiden.

Andrew Huberman spricht von „Grief“ (eng.; tiefe Trauer, Kummer, Leid) nach dem Verlust eines Menschen durch Tod oder Trennung als Zustand der Motivation, in welchem wir danach streben, die räumliche und zeitliche Distanz zur anderen Person zu überbrücken. Der Prozess der Akzeptanz verläuft erst durch eine schrittweise Abnahme dieser Motivation, bis wir ein eine mentale Repräsentation der Person in unserem Kopf erstellt haben, mit der wir unseren Frieden machen können. Dann ist das Gehirn nicht mehr so unter Spannung.

Wir können es uns wie eine Landkarte vorstellen, in der wir uns geografisch nah an der Person positionieren und eine Zeit lang nicht verarbeiten können, dass diese Karte in unserem Kopf, nicht mit der Karte in der Realität zu vereinbaren ist – in zweiterer ist der Mensch nämlich weit weg. Je eher wir gewillt sind, unsere negativen Gefühle, die daraus entstehen in uns wirken zu lassen, desto schneller können wir akzeptieren.

Die Gefahr besteht oft darin, schnell zu verdrängen, indem wir den Schmerz überlagern mit Alkohol, exzessiver Arbeit oder intensiver Suche nach Sex, egal wie. Ich habe in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, mich nicht mit den aufkommenden Gedanken auseinandersetzen zu wollen und auch jetzt merke ich die Tendenz zu sagen: „Fuck it, ich arbeite und trainiere einfach zehn Mal härter.“ Grundsätzlich sicher noble Ziele, doch sollte ich meinem Kopf dabei weiterhin erlauben, nicht wegzuschieben, sondern zu verarbeiten – was meist sehr schmerzhaft, doch das Richtige ist.

Trennungen und Tod sind also insofern ähnlich, in Bezug darauf, welche Hirnareale aktiv sind, zumal die Intensität selbstverständlich von Person zu Person und gelebter Erfahrung zu gelebter Erfahrung variiert. Schlussendlich sehnen wir uns jedoch nach diesem Menschen und empfinden ein Gefühl des Bodens, der unter den Füßen verschwindet, jedes Mal, wenn  wir uns mit der harten Realität auseinandersetzen, dass die Person unerreichbar ist. Social Media erschwert das Ende von Beziehungen gerade für jüngere Menschen, indem wir kontinuierlich daran erinnert werden, dass die Person zwar existiert, jedoch nicht wirklich für uns – gar nicht so leicht, das in den Kopf zu bekommen.

Um Huberman an dieser Stelle einmal abzuschließen: Der Weg zur Heilung unseres psychischen Zustandes und vor allem zur Akzeptanz, dass es gut so ist, wie es ist, besteht darin die benannte Karte in unserem Kopf neu zu verorten: Die Person ist in Zeit und Raum nicht mehr verfügbar – das ist okay. Die schönen Momente, die wir aus der Zeit mitnehmen, dürfen und sollen bleiben – wir können uns nur nicht daran klammern.

Jay Shetty beschreibt, dass wir nicht nur den Verlust der Person betrauern. Wir betrauern den Verlust des Lebens, das wir uns so schön ausgemalt haben, das so nie stattfinden wird. Wir betrauern den Verlust der Person, die wir waren, mit diesem Menschen. Die Loslösung von Menschen durch den Tod oder das Ende einer Beziehung strukturiert unser Gehirn von Grund auf neu: Wir verändern vor allem langfristig unser Verständnis des eigenen Bindungsverhaltens.

Ich glaube, es wie immer einmal wieder wichtig, gut zu sich zu sein und zu akzeptieren, dass wir nicht wahnsinnig werden, sondern dass die gelebte Erfahrung normal, nachvollziehbar ist.  Vor allem ist sie unabdingbar dafür, langfristig ein guter Mensch werden und sein zu wollen.

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