Kein Ratgeber – Teil 1

Als ich vor knapp zwei Monaten mit diesem Blog begann, hatte ich wenig Vorstellungen, was ich damit anfangen möchte, was ich veröffentlichen will und was für Ziele ich damit verfolge. Ich glaube, das ist noch immer so. Bisher stellt es für mich eine Art Tagebuch da und ich versuche, jede Woche etwas zu schreiben, womit ich ein wenig reflektiere, was ich lerne.

Was ich jedoch auf jeden Fall nie wollte, ist einen großartigen Lebensratgeber aus dem Ganzen machen zu wollen. Einige der Dinge, die ich poste, lassen mich in den Momenten des Schreibens, Veröffentlichens und Lesens – wie es die Generation meiner Schwester formulieren würde: cringen (Jugendwort des Jahres 2021). Damit meine ich, manchmal selbst etwas Fremdscham, für das von mir Verfasste zu empfinden, da es doch ab und zu recht persönlich wird. Warum ich das genau tue, weiß ich noch nicht so genau aber es fühlt sich sehr richtig an und hat sich in den letzten Wochen zu einer zusätzlichen erfüllenden kleinen Lebensaufgabe, einer Art Add-on für meinen Alltag entwickelt.

Kommen wir zurück zum Lebensratgeber: Dazu fällt mir ein Beitrag ein, dessen Autorin oder Autor ich leider nicht im Kopf habe, ich zitiere also zusammengereimt aus meinem Kopf und unter Missachtung des Urheberrechts, ich denke es wird mir nachgesehen: Vertraue keinen Büchern und Ratgebern, die sich anmaßen, uns zu sagen, wie das Leben gelebt oder bestimmte Situationen gemeistert werden sollten – viel tiefgründiger sind persönliche Lebensgeschichten, die von einem gelebten Leben berichten, aus dem wir Anreize für uns selbst ziehen können. Ohne mir anzumaßen, damit jetzt tief in die Bewusstseinsforschung einsteigen zu wollen: ich denke, sich immer wieder der Subjektivität des eigens Erlebten bewusstzuwerden kann sehr beruhigend sein. Einige mehr, andere weniger, tendieren wir wohl alle dazu, die Welt um uns herum durch ein winzig kleines Fenster zu betrachten und vergessen dabei, dass andere die Realität durch ganz andere Fenster sehen.

Als jemand, der mit Ratschlägen gegenüber seinen Mitmenschen recht schnell zur Stelle sein will, wenn diese vielleicht einfach nur jemanden zum Zuhören brauchen, gebe ich mir nach und nach mehr Mühe, in meinem Leben, sowie in diesem Blog also nicht sagen zu wollen: So mach ich das und du solltest meinem Beispiel folgen. Ich schreibe Dinge, die ich – auch wenn es oft unangenehm ist – irgendwie aus meinem Kopf auf (digitales) Papier bringen möchte:

Diese Woche habe ich persönliche Werte, nach denen ich strebe, aufgeschrieben. Sicher ist diese Strebsamkeit immer leichter gesagt als getan und ich muss lernen, die Latte nicht allzu hoch zu setzen. Dennoch spüre ich, dass es sich gut anfühlt, das was mir wichtig ist, immer ein wenig vor Augen zu haben. Die Liste ist alles andere als vollständig, aber hier – auf die Gefahr hin, dass ich doch noch in die Selbstverbesserungs-Esoterik abdrifte –  ist mein bester Versuch:

aktiv Verantwortung übernehmen
für mein eigenes Wohlbefinden, mein Handeln, für die Menschen die mir nahestehen – wenn das abgesichert ist auch für die Gemeinschaft, die mich umgibt

einer gewissen Nützlichkeit nachgehen
deckt sich mit Verantwortung; hilft mir aber einmal mehr zu realisieren, wie wichtig meine Lebenszeit ist

mich selbst gern haben
sollte selbsterklärend sein

geduldig sein
die besten Dinge brauchen oft Zeit; wenn es ab und zu mal nicht so läuft, ist das kein Dauerzustand

keine Angst vor Veränderungen haben
interessant ist, dass unser Gehirn anscheinend in Lebenskapiteln arbeitet und Lebensabschnitte rückblickend nach verschiedenen Phasen sortiert; ich denke es ist wichtig, ein paar unterschiedliche Kapitel zu sammeln

gewillt sein, tief in mich zu blicken, auch wenn es wehtut – mich nicht vor unangenehmen Gefühlen verstecken
statt davonzulaufen und zu verdrängen, scheint es immer einen gute Idee zu sein, negative Emotionen zu konfrontieren – wenn es auch der härtere, jedoch langfristig gesündere Weg ist

keine Geheimnisse haben
sicher hat Authentizität Grenzen; ich gebe mir dennoch Mühe, Menschen in meinem Umfeld nichts vorzuspielen und bestmöglich so zu sein wie ich bin

mich selbst jeden Tag weiterbilden
wenn ich am Ende des Tages sagen kann, ein klein wenig über mich selbst oder die Welt um mich herum gelernt zu haben, ist das doch schon mal recht viel wert

so gut wie möglich zu Anderen sein
grenzt an das Beispiel der Authentizität; dabei muss ich immer aufpassen, trotzdem mich selbst zu priorisieren und nicht ins People-Pleasing reinzufallen – wenn jemand scheiße zu mir ist, hab ich ein Recht auf meine Wut; aber unvoreingenommen das Gute in anderen sehen zu wollen ist vielleicht ein guter Ansatz

harte Aufgaben bewältigen
regelmäßig kognitiv und körperlich aus meiner Komfortzone zu treten beweist sich als guter Weg zu viel Selbstrespekt

mich auf das konzentrieren, was ich verändern kann
der Rest liegt in Gottes Händen; klingt vielleicht wie ein Klischee – scheint aber ein sehr wirksamer Indikator für ein selbstbewusstes Leben zu sein

enthusiastisch sein
make enthusiasm great again; manchmal habe ich das Gefühl, 20 Leben leben zu müssen um alles zu lernen, was mich interessiert – ich glaube das ist gut so, solange ich mich nicht von der Vielfalt der Möglichkeiten zerdrücken lasse

an etwas Höheres als mich selbst glauben
ich bin noch immer dabei, mein Verständnis von Gott für mich persönlich zu erkunden; es ist ein recht neuer und aufregender Prozess

harte Zeiten akzeptieren
ich konnte feststellen: je härter das, was es zu durchleben gilt ist, desto größer das Wachstum, was daraus entsteht

bewusste Entscheidungen treffen und dazu stehen
auch nicht immer ganz so einfach; wir sind als Menschen gern hin- und hergerissen; manchmal gibt es vielleicht nur die weniger schlechte Entscheidung und das ist okay so

meiner Intuition folgen
hat sicher viel mit genannter Authentizität und Entscheidungsfindung zu tun; ich glaube, wir können die Intuition schärfen, indem wir uns und unseren Mitmenschen gegenüber möglichst ehrlich sind