Kurz nach meinem Abitur hatte ich mich entschieden, ein Jahr durch Asien zu reisen. Es war damals eine sehr aufregende Zeit, wenn sie auch mit vielen Hindernissen verbunden war. Im November 2017 arbeitete ich in Sri Lanka in einem Hostel unter externen Bedingungen, die viele von uns womöglich als „paradiesisch“ bezeichnen würden: weite Strände mit dahinterliegenden Palmen und Surfen mit Locals. Ich fühlte mich jedoch sehr unwohl mit der Arbeit, der ich nachging, und war in dieser Zeit zudem unzufrieden mit meinen zwischenmenschlichen Beziehungen. In meinem postpubertären Kopf hatte ich allerdings nicht das Gefühl irgendetwas an der Situation ändern zu können, da ich vom Leben überfordert und unter anderem komplett pleite war. So viel mir zum ersten Mal in ein Paradoxon auf, dem wir wohl alle oft nachhängen: der Ort, an dem wir leben muss perfekt sein, dann kommt das Glück von ganz allein. In diesem vermeintlichen Paradies war ich damals sehr unglücklich da es mir innerlich schlecht ging, wohingegen ich heutzutage meist viel für meine persönliche Zufriedenheit tun kann, unabhängig vom Ort, an dem ich mich befinde. Offensichtlich liegt der Schlüssel mal wieder darin, sich innerlich weiterzuentwickeln und die externen Umstände bestmöglich außer Acht zu lassen – auch wenn es nicht ganz leicht ist.
Ich schreibe diese Zeilen, da ich momentan in Südamerika reise und – wer hätte es gedacht – Backpacken in Kolumbien auch nicht alle mentalen Probleme löst. Der Weg zu psychischer Gesundheit ist ein immer andauernder Prozess. Ich denke, sich damit abzufinden hilft uns, das Leben aktiv zu gestalten und kontinuierlich zufriedener zu werden.
In der westlichen Welt scheint sich die Idee der Golden Years weit verbreitet zu haben. Also der Konsens, dass wir nur lang genug im Leben durchhalten müssen und irgendwann der Punkt X erreicht ist, an dem wir uns ausruhen können und es keine Probleme mehr gibt. Im Falle der goldenen Jahre wird sich auf den Renteneinstieg bezogen, doch das Phänomen scheint sich durch viele Bereiche des Lebens zu ziehen. So glauben wir nur die graue Zeit des nächsten Winters überstehen zu müssen, bis im Sommer alles besser wird. Oder wir müssen nur noch so viel Geld bekommen, dann wird alles leichter.
Ich glaube, dass es einen ultimativen Punkt X, an dem sich alles löst, nicht geben kann. Intensiv zu leben, bedeutet wohl eher ein kontinuierliches Auf und Ab zu akzeptieren. Sowohl unserer Lebenszufriedenheit als auch vieler anderer Faktoren, die für uns ein gutes Leben ausmachen. Tony Robbins beschreibt das „Secret to Happiness“ in einem Wort als „Progress„. Zu Deutsch würden wir es wohl mit Fortschritt übersetzen, was mal wieder nicht so richtig gut klingen mag, aber es sind ja schon einige gute Ideen in der Übersetzung untergegangen und vielleicht deutschen wir es einfach weiter als Progress ein.
Ich finde den Gedanken daran, langfristige Erfüllung zu finden, indem ich kontinuierlich danach strebe ein besserer Mensch zu werden und mich in den wichtigsten persönlichen Bereichen meines Lebens weiterzuentwickeln sehr beruhigend. Denn dafür bin nur ich verantwortlich, ich kann also einmal mehr selbst dazu beitragen, dass es mir gut geht.
Anstatt nach dem bestmöglichen Lebenskick an atemberaubenden Orten wie Sri Lanka oder Kolumbien zu suchen, sollte also ich als Mensch, der sich entwickelt an erster Stelle stehen. Klar, Reisen ist wundervoll, aber kann eben nur dann erfüllend sein, wenn ich mich erstmal um mich selbst gekümmert habe.
Wenn David Goggins gefragt wird, warum er nie lächelt, antwortet er: „weil es keine Zielline gibt.“ Allemal eine etwas extremere Umsetzung des andauernden Progresses. Ich denke man kann diese Tatsache akzeptieren und trotzdem viel lächeln 🙂
Links
https://www.collinsdictionary.com/us/dictionary/english/golden-years
https://www.cnbc.com/2017/10/06/tony-robbins-this-is-the-secret-to-happiness-in-one-word.html