Reden wir über das Vergleichen. Nicht das Gegenüberstellen mathematischer Größen, sondern darüber, wie wir uns selbst in das Verhältnis zu anderen setzen und das Außerachtlassen des Wertes der eigenen Person, das damit einhergeht.
Ich möchte von einem der jüngsten Fundstücke meines Stöberns im Podcastuniversums berichten und davon, welche Gedanken es bei mir aufgemacht hat.
Chris Williamson und Rich Roll, deren zwei Kanäle (Modern Wisdom und Rich Roll Podcast) zu meinen Favoriten gehören, trafen aufeinander und adressierten neben anderen Themen unter anderem das unerschöpfliche Streben nach sozialem Status.
Williamson sagt dazu:
„[als Kind viel Zeit allein zu verbringen] brachte mir bei, dass dich die Welt nicht liebt, außer wenn du ihr irgendetwas bieten kannst. Alles was ich [in meinen 20ern] tat, unternahm ich, damit es mir einen großen sozialen Wert einbrachte. Also wurde ich Model, bevor ich zur Uni ging. […] Dann wurde ich Party Promoter. Denn Menschen mögen Models. Menschen mögen Party Promoter. […] Denn vielleicht, wenn ich nur ausreichend soziales Ansehen sammeln kann, wird die Welt irgendwann glauben, dass ich etwas wert bin.“
Beide gelangen zu einem Konsens darüber, einen großen Teil ihrer bisherigen Karrieren damit verbracht zu haben, sozialer Anerkennung hinterherzurennen, indem sie sich selbst eine Art Alter Ego zulegten, der diesem sozialen Status gerecht wird – eine Art idealisiertes Rollenbild, in das man sich selbst steckt, in der Hoffnung, dadurch mehr Anerkennung zu erfahren.
Dieses Bild resonierte in mir stark. Ich denke, wir alle tappen hin und wieder in die Falle, etwas oder jemand sein zu wollen, der wir vielleicht gar nicht so richtig sind. Ich für meinen Teil legte immer großen Wert darauf, der ausgeglichene Typ zu sein, der sich von nichts aus der Ruhe bringen lässt. Dazu noch diszipliniert, vielseitig interessiert, empathisch, hilfsbereit, zielstrebig, belesen, jederzeit für ein Abenteuer zu haben und noch so viel mehr – ein echter Macher einfach!
…ganz schön viele Ideale, die nur in einer Lebenszeit abgearbeitet werden sollen.
Ich denke an eine Episode aus meiner jüngeren Vergangenheit, als ich mich zu Studienbeginn auf ein Stipendium bewarb, von dem ich mir eine finanzielle Unterstützung erhoffte. Corona war damals noch ganz frisch und ich wurde per Zoom interviewt. Ich bereitete mich akribisch auf mögliche Fragen vor, die mir gestellt werden könnten und lernte die, meiner Meinung nach perfekten Antworten auswendig. Souverän und selbstbewusst sollte es sein. Intelligent und vor allem pädagogisch kompetent war der Charakter, den ich präsentieren wollte. Ich zog mir ein weißes Hemd an (damals wirklich absolut entfernt von Klamotten, die ich gern trug) und war auf alles gefasst. Hochgestochen und mir meiner großen Begabung mehr als bewusst, performte ich mit einem Sprachgebrauch, der mich rückblickend eher an versuchten Politikersprech erinnert. So versuchte ich sehr jemanden zu personifizieren, der ich wirklich nicht war, sodass dies bis heute eine der skurrilsten Erinnerungen an mich selbst ist. Mittlerweile schmunzle ich darüber, doch frage ich mich immer noch mit etwas Fremdscham, was um alles in der Welt ich versuchte, mit diesem Theaterstück zu beweisen.
Das Stipendium bekam ich übrigens nicht. Stattdessen trug mir ein Freund zu, der tatsächlich im Auswahlkomitee saß, dass das ständige Betonen, für was für einen begabten Pädagogen ich mich doch selbst hielt, eher den Anschein vermittelte, Unsicherheiten verdecken zu wollen. Ich gebe mir Mühe, Kritik von anderen neutral zu betrachten, doch ich bin mir sehr sicher, dass diesmal die Stimme von außen Recht hatte – lesson learned. Ich glaube, dass ich in diesem Moment und vielleicht auch an vielen anderen Punkten meines Lebens weit davon entfernt war, etwas zu tun, was meinem Wesen entspricht. Eher war ich daran interessiert, eine Person zu präsentieren, von der ich dachte, dass sie in diesem Moment erwartet wird.
Ich werde an dieser Stelle keine Lobrede auf Authentizität halten. Auch werde ich keine geflügelten Wörter wie „bleib dir selbst treu“ um mich werfen. Ich gebe mir wie immer einfach nur Mühe, Dinge die mich beschäftigen in Texten zu strukturieren, und dadurch vielleicht ein Gespräch zu jemandem anzuregen. Um es mit den Worten des Kängurus wiederzugeben: „Ich will gar nichts sagen. Ich gebe nur Denkanstöße.“
Ich fühle mich manchmal etwas ruhelos, im ständigen Anspruch, einem sozial anerkannten Standard gerecht werden zu wollen. Ich denke, viele sind damit vertraut, einen hohen Anspruch an sich selbst zu stellen. Dies scheinen wir oft mit dem Streben nach hoher Arbeitsmoral, besonderer Zielstrebigkeit oder mit Zukunftsorientierung zu rechtfertigen. Das sind sicher hohe Tugenden, von denen wir alle profitieren können. Doch habe ich gelernt, mir regelmäßig die Frage stellen zu wollen, ob ich diese Tugenden an den Tag lege, weil ich davon ausgehe, dass sie von mir erwartet werden, oder ob ich mich wirklich ehrlich mit ihnen identifiziere, weil ich weiß, dass sie in diesem Moment das Richtige für mich sind.
Ich gebe mir also Mühe, die Frage an mich selbst zu stellen, ob ich mich anstrenge, um einen möglichst hohen sozialen Status zu erreichen, oder ob ich es wahrlich für mich selbst und hoffentlich den Mehrwert der Menschen um mich herum tue.
Dazu noch etwas aus meiner eigenen momentanen professionellen Orientierung: Ich habe in letzter Zeit den Gedanken in mir ein wenig reifen lassen, dass es die ultimative altruistische Pädagogik nicht geben kann. Viele Menschen, die sich für einen Beruf im Lehramt oder anderen pädagogischen Tätigkeiten entscheiden, tun dies aus noblen Motiven. Ich sehe in meinem Umfeld immer wieder, dass bei vielen Menschen ein ernsthaftes Interesse darin besteht, Bildungsprozesse von Kindern und Jugendlichen anzustoßen und sie auf ihrem Lebensweg zu begleiten. Damit einher geht natürlich auch der Gedanke an unsere eigene schulische Laufbahn und jedem und jeder fallen bestimmte Lehrkräfte ein, über die wir sagen: „Wow, dieser Mensch hat mich wirklich bereichert.“
Ich glaube, wer sich für die Arbeit in der Schule entscheidet, möchte auch gern für sich selbst bestätigt bekommen genau dieser bereichernde Mensch für andere zu sein. Daran ist natürlich absolut nichts verwerflich, ganz im Gegenteil – doch ich glaube, wir sollten uns darüber bewusst sein, dass auch dies wieder einmal ein Streben nach sozialer Anerkennung ist, mit dem wir achtsam umgehen müssen. Und dieses Streben – egal ob in der beschriebenen Situation oder in jeglichem anderen sozialen Kontext – kann und sollte von uns wahrgenommen werden.
Ich möchte auf den Punkt kommen: Wir sind Lebewesen, mit einer Kapazität, außerordentlich sozial stabile Gefüge zu bilden. Diese sind von Kommunikationsmöglichkeiten geprägt, die jene aller anderen uns bekannten Lebensformen um ein Vielfaches übersteigt – sozial anerkannt sein zu wollen ist nur logisch. Es dient unserem Überleben und zeichnet uns aus als Menschen. In meinem letzten Text schrieb ich darüber, was es heißt, weniger einsam sein zu wollen. Ich glaube nur, wir laufen auf verzwickte Situationen zu, wenn wir uns selbst zu sehr mit dem sozial erwünschten Standard vergleichen- das ist sicherlich keine großartige neue Erkenntnis, doch ich schreibe darüber, um zu meinen einleitenden Zeilen zurückzukommen:
Sich selbst mit sozialen Ansprüchen und dadurch mit anderen zu vergleichen macht kaputt. Zumindest merke ich das bei mir selbst sehr intensiv. Sobald ich anfange, den aktuellen Lebensstand meiner gleichaltrigen Mitmenschen (kognitive und emotionale Intelligenz, akademischer Werdegang, Wohnsituation etc.) mit meinem eigenen zu vergleichen, bin ich rastlos. Ich glaube das Hauptproblem dabei ist, dass wir dieses Spiel auch einfach nie gewinnen können – sich selbst zu vergleichen führt zwangsläufig zur Unzufriedenheit, egal, wie das Ergebnis aussieht.
Um eine Lösung zu suchen, möchte ich mich auf Worte Jordan Petersons stützen, die ich hier freie übersetzt zitiere:
„Vergleiche dich mit der Person, die du gestern warst und nicht mit der Person, die jemand anderes heute ist. […] Sich auf ein Ziel zuzubewegen bedeutet, dass du weniger sein wirst, als Menschen, die bereits einen gewissen Weg in ähnlicher Richtung zurückgelegt haben. Die Frage ist also, wen solltest du letztendlich besiegen und die Antwort darauf ist, du solltest dein früheres Ich besiegen […]. Du bist auch die einzig richtige Kontrollgruppe für dich selbst, denn du bist derjenige, der all deine Vor- und Nachteile hat, also wenn du dich mit irgendwem fair messen willst, dann solltest du dich mit dir selbst messen.“