Vom Loslassen

Meine Karriere im American Football  zwischen meinem 14. und 19. Lebensjahr war nicht das, was man als glorreich bezeichnen würde. Ich hatte schon damals immer das Gefühl, um wirklich gut in dem Spiel – vor allem auf defensiver Seite – zu sein, bedarf es eines Charakters, der für den Moment des Spielzuges den eigenen Kopf ausstellen und so schnell wie es die physischen Kapazitäten erlauben in einen anderen Menschen reinkrachen kann – das war ich nie.
Vielleicht tue ich dem Sport in gewisser Hinsicht unrecht und bis heute fasziniert mich die strategische Komponente und das Zusammengehörigkeitsgefühl was scheinbar für viele Praktizierende und Fans daraus hervorgeht.
Obwohl ich selbst kein großartiger Spieler war, habe ich das Gefühl, viel aus der Zeit mitgenommen zu haben. Während meines Auslandsaufenthaltes in den USA hatte ich einen Coach, an den ich heute noch ab und zu denke. Was mir von ihm vor allem hängen bleibt ist: „You’re never as good or as bad as you think you were“ – eine interessante Philosophie. Nichts was du tust oder willst ist objektiv betrachtet so gut oder so schlecht, wie es in deinem Kopf in diesem Moment erscheint.

Nicht selten habe ich das Gefühl, in meinen Gedanken zu stecken und die aktuelle Situation oder den momentanen Gemütszustand über- oder unterzubewerten. Ich glaube wir alle tendieren häufig dazu, Dinge als gut oder schlecht zu deklarieren und klammern uns häufig an das, was für uns „gut“ ist: Die Vorstellung davon, welchen Stellenwert oder objektiven (z.B. finanziellen) Erfolg wir uns von Karrierewünschen versprechen. Oder das, was wir glauben, was neue Lebensumstände, wie andere Wohnungen oder mehr Freizeit, mit sich bringen.
Vor allem klammern wir uns an Menschen und an das, was wir meinen, was sie für uns sein oder uns geben können. Sicherlich ist dies ein durchaus sinnvoller Ansatz, vom evolutionären Standpunkt aus: als soziale Lebewesen sind wir vor allem in den ersten vulnerablen Lebensjahren mehr als alle anderen Tiere abhängig von den Einflüssen der Anderen.

Im Laufe des Lebens fällt es den meisten von uns jedoch weiterhin mehr oder minder schwer, uns von Situationen oder Personen zu entkoppeln. Ich glaube, wir tendieren dazu, mentale Bilder zu konstruieren, wie toll die Zukunftsaussicht durch externe Umstände, wie besondere Menschen oder Personen ist – und sind oft enttäuscht, wenn diese inneren Erwartungen flachfallen.

Momentan übe ich, von solchen mentalen Bildern, die subjektiv sind und nicht vollständig mit der Realität übereinstimmen können, loszulassen. Dabei hilft es mir, mich zu erinnern, dass diese Vorstellungen nie so schön oder schlimm sind, wie ich sie mir ausmale.

Das Konzept „Detachment“ also Ablösung findet oft sich oft im spirituellen Kontext wieder, bezogen darauf, dass das was du anstrebst sich am meisten entfernt und andersherum durch universelle Energien zu dir findet, wenn du dich von dem Verlangen danach befreist. Was auch immer die individuelle Auffassung von Spiritualität, Glauben an das Universum oder Gott auch sein mag: Ich persönlich spüre den Frieden, der mit dem Loslassen vom gewünschten und erwarteten Endzustand einhergeht.

Wie auch immer wir es wenden, das Fallenlassen von Erwartungen, wie unser Leben oder die uns nahestehenden Menschen zu sein haben oder den festen Vorstellungen, wie unser Glück auszusehen hat bringt eine überaus wertvolle Neutralität mit sich.

Ich persönlich nehme das Klammern an Personen, schöne Emotionen und innere Triebe als primitiveres Selbst wahr, welches seine Daseinsberechtigung hat – da wir Menschen sind. Zeitgleich handelt dieser Teil unseres Selbst jedoch sehr willkürlich und unvorhersehbar bezüglich darauf, was es will. Es lässt sich von spontanen Lebensveränderungen aus der Bahn werfen und wir kommen langfristig wohl nicht zu einem erfüllten Leben, wenn wir dem was Freud als „Es“ bezeichnete zu viel Raum geben. Sicherlich werde ich hier nicht über sein Strukturmodell der Psyche vor mich hinschwafeln. Ich versuche nur ein eigenes Verständnis der Kommunikation, zwischen meinem niedrigeren und höheren Ich kohärent zu Papier zu bringen.

Zweiteres gibt sich große Mühe, Lebensumstände und Personen so anzuerkennen, wie sie sind und sich nicht in das Hineinzuwerfen, was ich glaube, was sie für mich werden können. Wenn ich das Gefühl habe, sentimental zu werden und nostalgisch daran zu denken, was mir fehlt, dann erinnere ich mich daran, dass der eigene Pfad unvorhersehbar ist – und das ist irgendwie schön so. Es sollte mir zustehen an schöne Dinge zu denken, die einmal waren, aber ich will akzeptieren, dass wir uns alle verändern und damit auch unser Leben – besser drum. Was auch immer ich meine, wie sich die Zukunft verändern wird, es kommt sowieso anders, es bringt also gar nichts sich an dem vermeintlich Schönen krampfhaft festzuhalten.

Nichts ist so gut oder so schlecht, wie es scheint – wenn wir mehr lernen, die Situationen so zu nehmen, wie sie sind und weniger in gut/schlecht zu verpacken, kehrt mehr Frieden in unser Leben ein.
Ein letzter Gedanke dazu: Morgen erscheint ein Buch von Kimberley Snyder, auf welches ich mich sehr freue, da es scheinbar genau das thematisiert: Loslassen vom Fokus auf externe Umstände für mehr Klarheit im eigenen Herzen. So hat sie es zumindest kürzlich bei Rich Roll beschrieben. Damit einhergehend: mehr Selbstliebe und Offenheit, für das was einem das Leben entgegenbringt. Ich freue mich aufs Lesen und werde irgendwann berichten.

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